Verlässlichkeit, Stabilität und Verantwortung wir halten Kurs

Tobias Kochs Rede nach einem Jahr Jamaika in SH.

Es gilt das gesprochene Wort!

Herr Präsident,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

auf die Rede von Herrn Dr. Stegner war ich heute fast genauso gespannt wie auf die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten. Bei der hitzigen Debatte zur Abschiebehaft vor drei Wochen konnten Sie, Herr Dr. Stegner, nicht der Versuchung widerstehen, hier aus rein parteitaktischem Kalkül die Grünen vorzuführen und ihnen eine inhumane Flüchtlingspolitik zu unterstellen.

Ich habe Ihnen damals entgegnet, dass ich diese bewusste Verschärfung der Diskussion angesichts der Sensibilität dieses Themas und der politischen Unsicherheiten in Deutschland, in Europa und in der Welt für absolut fahrlässig halte. Ich habe deshalb an Sie und die SPD appelliert, noch einmal in sich zu gehen und zu prüfen, ob das wirklich der richtige Umgang miteinander ist.

Ich hätte mir deshalb gewünscht, dass ich Ihnen heute hätte konstatieren können, dass Ihre Rede angemessener, ausgewogener ausgefallen ist.

Leider muss ich auch heute feststellen, dass Sie sich erneut dafür entschieden haben, auf Konfrontation und politischen Angriff zu setzen.

Für einen Oppositionsführer ist es ohne Frage keine leichte Aufgabe, die Regierungspolitik zu unterstützen oder gar den Ministerpräsidenten zu loben. Aber auch für einen Oppositionsführer darf es eben nicht nur die Abteilung Attacke geben, auch die Opposition trägt Verantwortung und auch für die Opposition gibt es so etwas wie Staatsräson.

In diesen krisenbelasteten letzten Wochen ist es wichtig, dass wir uns auf die Gemeinsamkeiten besinnen, die wir trotz aller unterschiedlichen Auffassungen in politischen Sachfragen haben und die uns im Schleswig-Holsteinischen Landtag miteinander verbinden. Wir haben mehr gemeinsam als die Protagonisten in München, London oder Washington. Das hätten Sie heute deutlich machen können.

Wahrscheinlich ist das Ausbleiben von Kritik am Ministerpräsidenten für sein Verhalten in den letzten Wochen schon das höchste Lob, das wir von Ihnen erhalten können.

Umso mehr möchte ich vor allem Ihnen, Herr Ministerpräsident, zu der heutigen Regierungsklärung gratulieren und ebenso für die deutlichen Worte, die Sie in den letzten Wochen gefunden haben.

Sie haben unserem Bundesland eine starke Stimme in Berlin gegeben, und ich bin überzeugt, dass sich die überwältigende Mehrheit der Menschen in Schleswig-Holstein darin wiedergefunden hat.

Mit Ihrer klaren Positionsbestimmung haben Sie dem Land Einfluss und Gewicht in der Bundespolitik verschafft und unserer Kanzlerin Angela Merkel den Rücken gestärkt. Daniel Günther hat seinen Kurs gehalten und immer versucht, Lösungen herauszuarbeiten, anstatt nur wahllos Kritik an anderen zu üben. Darauf sind wir wahrhaftig stolz und glücklich, dass Daniel Günther unser Ministerpräsident ist!

Meine Damen und Herren, und auch Schleswig-Holstein hält Kurs – und das gleich in dreifacher Hinsicht:

Wir halten erstens Kurs, indem wir durchaus auch Beschlüsse aus der Regierungszeit von Torsten Albig fortsetzen und weiterführen. Bei aller Kritik am damaligen Regierungskurs, die guten Ideen erkennen wir wahrlich an.

Beim Impuls-Programm, bei der Förderung des Wohnungsbaus, bei der Polizeibeauftragten, beim Tourismuskonzept und nicht zuletzt bei der humanen Flüchtlingspolitik – um nur einige Beispiele zu nennen - setzen wir vieles von dem fort, was in der Küstenkoalition entschieden wurde.

Wenn uns das nun von der SPD vorgehalten wird, dann empfinden ich das keinesfalls als Vorwurf – auch wenn es sich bei Ihnen, Herr Dr. Stegner, immer danach anhört.

Als Christdemokraten sind wir uns der Bedeutung von Stabilität, von Kontinuität und von Verlässlichkeit bewusst.

Nach dem Regierungswechsel 2012 haben wir selbst schmerzlich erlebt, wie die neue Koalition das erste Jahr fast ausschließlich damit beschäftigt war, die Entscheidungen der vorherigen CDU/FDP-Regierung wieder rückgängig zu machen.

Unser Politikverständnis sieht anders aus:

Demokratisch getroffene Mehrheitsentscheidungen gilt es zunächst einmal zu respektieren, denn ständige Kurswechsel zerstören das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in unsere Demokratie.

Wir leben heute in unruhigen politischen Zeiten, in denen manche Gewissheiten, auf die man in der Vergangenheit fest bauen konnte, plötzlich Risse bekommen oder ganz wegbrechen. Dies erleben wir derzeit beim Zusammenhalt der Europäischen Union oder dem transatlantischen Bündnis.

Deshalb ist es umso wichtiger, dass Schleswig-Holstein Kurs hält, indem wir nicht alles anders machen als die Regierung von Torsten Albig – aber vieles deutlich besser!

Schleswig-Holstein hält zweitens Kurs, indem wir nach einem Jahr Jamaika-Koalition den eingeschlagenen Weg kraftvoll und dynamisch fortsetzen und weiter ausbauen. Insbesondere die Entscheidungen der Landesregierung in den letzten Tagen machen dies deutlich.

Wir haben im ersten Regierungsjahr von Jamaika schon viel erreicht, um der Polizei den Rücken zu stärken und für mehr innere Sicherheit zu sorgen: Es werden keine Polizeidienststellen im Land mehr geschlossen, Polizei und Justiz erhalten zusätzliche Stellen, die Ausrüstung wird durch Schutzkleidung, Bewaffnung und digitale Endgeräte verbessert, höhere Erschwerniszulagen und geringere Arbeitszeiten bei Wechselschichtdiensten zeigen Wertschätzung für die geleistete Arbeit.

Mit dem jetzt von der Landesregierung beschlossenen Sicherheitspaket wird all das noch einmal übertroffen. Die Entscheidung geht damit sogar deutlich über die Vereinbarung im Koalitionsvertrag hinaus!

Die von der Vorgängerregierung nur zeitlich befristet geschaffenen Stellen bei Polizei und Justiz werden dauerhaft erhalten bleiben.

Beim Verfassungsschutz, der digitalen Spurensicherung, der Staatsanwaltschaft, der Verwaltungsgerichtsbarkeit und für die Digitalisierung der Justiz kommen mehrere Dutzend neue Stellen hinzu.

So schaffen wir Sicherheit für Schleswig-Holstein und sorgen dafür, dass das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in rechtsstaatliche Verfahren erhalten bleibt.

Meine Damen und Herren, den von Jamaika eingeschlagenen Kurs setzen wir auch in der Bildungspolitik konsequent fort:

Wir wollen eine 100%ige Unterrichtsversorgung an den Schulen erreichen, um bestmögliche Bildungschancen für alle Kinder in unserem Land zu ermöglichen.

Dafür haben wir bereits im ersten Jahr von Jamaika 895 Lehrerstellen über die bestehende Personalplanung hinaus beibehalten bzw. neu geschaffen.

Mit dem gestern beschlossenen Haushaltsentwurf wird auch in 2019 keine einzige Lehrerstelle gestrichen, sondern stattdessen werden neue Stellen geschaffen. Das macht im kommenden Jahr noch einmal einen Unterschied von 743 Stellen aus.

Noch nie zuvor ist vermutlich in so kurzer Zeit in einem solchen Umfang die Personalsituation in unseren Schulen verbessert worden. Unter Jamaika nimmt Schleswig-Holstein einen ganz klaren Kurs in Richtung erstklassiger Bildung!

Meine Damen und Herren, auch bei den Investitionen erreicht der eingeschlagene Kurs neue Bestmarken:

Hatten wir in diesem Jahr die Investitionshöhe erstmals auf über eine Milliarde Euro gesteigert, so kommen im nächsten Jahr auf diesen Spitzenwert noch einmal 100 Millionen Euro oben drauf. Die Investitionsquote springt auf über 10 Prozent und lässt damit die Talsohle der letzten Jahre endgültig hinter sich.

Jamaika hält auch Kurs bei der Windenergieplanung mit der gestern vom Kabinett festgelegten vorläufigen Gebietskulisse. Wir machen genau das, was wir uns vorgenommen haben, nämlich die Energieziele mit größeren Abständen zur Wohnbebauung in Einklang zu bringen.

Dabei sind wir weiter vorangekommen, als zu jedem anderen Zeitpunkt in den letzten fünf Jahren: Die 6.500 Einwendungen zum ersten Planungsentwurf sind bearbeitet, und auf Basis der vorläufigen Gebietskulisse können jetzt weitere Ausnahmegenehmigungen erteilt werden. Im Idealfall liegt nach Abschluss dieser zweiten Beteiligungsrunde Mitte 2019 wieder eine rechtssichere Gebietskulisse für den Windenergieausbau in Schleswig-Holstein vor.

Von der SPD werden wir dagegen einerseits dafür kritisiert, dass wir unsere Wahlversprechen nicht vollständig einhalten würden. Andererseits kritisiert die SPD, dass wir den Abstand zur Wohnbebauung überhaupt vergrößern und nicht bei den von ihr präferierten 800 Metern bleiben. Ich glaube, da sollte sich die SPD wirklich noch einmal Gedanken über den eigenen Kurs machen.

Das gilt genauso für den KiTa-Bereich. Eine kostenfreie KiTa-Betreuung war auch nicht Gegenstand des SPD Wahlprogramms für diese Legislaturperiode. Auch die SPD wollte sich nur schrittweise auf den Weg in Richtung Kostenfreiheit machen, die nach eigenem Konzept in vielleicht 10 oder 15 Jahren erreicht worden wäre.

Der Unterschied ist, dass wir als Jamaika-Koalition den Menschen offen und ehrlich sagen, dass wir die Elternbeiträge reduzieren werden, dass wir sie landesweit auf eine einheitliche Höhe deckeln wollen, dass aber eine Kostenfreiheit innerhalb von nur fünf Jahren nicht realistisch ist.

Der Unterschied besteht außerdem darin, dass wir neben der Entlastung der Eltern auch die der Kommunen und vor allem auch die Qualität der Kinderbetreuung in den Mittelpunkt unseres Handelns stellen. Die Bertelsmann-Studie aus dem Mai dieses Jahres macht deutlich: Eltern ist Qualität wichtiger als Beitragsfreiheit. Diese Aussage bestätigt den von Jamaika eingeschlagenen Kurs. Die SPD sollte deshalb auch hier ihren Kompass noch einmal neu justieren.

Meine Damen und Herren, Schleswig-Holstein bleibt auch in einer dritten Hinsicht auf Kurs:

Mit der vor einem Jahr geschmiedeten Jamaika-Koalition haben wir gezeigt, dass unser Bündnis über die traditionellen politischen Lager hinweg eine reale Option darstellt. Was in Berlin leider nicht zustande gekommen ist, funktioniert in Schleswig-Holstein ausgeglichen und erfolgreich. Wir präsentieren damit einen echten Gegenentwurf zu dem, was wir in den letzten Wochen in der Bundespolitik leider erleben mussten.

Es ist der faire und vertrauensvolle Umgang miteinander, der diese Jamaika-Koalition auszeichnet. Gemeinsam setzen wir die Vereinbarungen des Koalitionsvertrages um und gehen bei Bedarf auch darüber hinaus.

Das haben wir beim Kommunalpaket, bei der Verständigung auf A13 für Grundschullehrer, beim Holstein-Stadion und jetzt erneut beim Sicherheitspaket unter Beweis gestellt.

Das Wichtigste dabei ist, dass wir diese Entscheidungen immer gemeinsam getroffen haben, ohne dass ein Partner dafür Ultimaten gestellt oder sich zu Lasten der Koalition in der Öffentlichkeit profiliert hat. Nur so kann eine konstruktive Zusammenarbeit funktionieren.

Jamaika hebt sich damit wohlwollend vom Berliner Hick-Hack ab. Während durch die politischen Alleingänge in Berlin, Europa und den USA viel Vertrauen in demokratische Strukturen zerstört wurde, ist Schleswig-Holstein ein Hort der Verlässlichkeit. Wir zeigen, dass es auch anders geht!

Das gilt ganz besonders auch für die stark umstrittene Flüchtlingspolitik. In Schleswig-Holstein steht hier Humanität an erster Stelle. Das war in der Küstenkoalition unter Torsten Albig so und das gilt auch jetzt für Jamaika.

Diese Koalition ist in Berlin für Erleichterungen beim Familiennachzug eingetreten. Mit der jetzigen Landtagstagung bereiten wir gerade eine weitere Initiative vor, um für gut integrierte, junge Erwachsene die Bleiberechtsperspektiven zu verbessern. Jamaika sagt außerdem „Ja“ zu einem landeseigenen humanitären Aufnahmeprogramm – auch das werden wir in dieser Tagung noch diskutieren.

Humanität erfordert aber immer auch die Bereitschaft und die Akzeptanz der Bevölkerung, diesen Weg mitzugehen.

Das wiederum setzt voraus, dass bei aller Humanität das Vertrauen in rechtsstaatliche Prozesse nicht verloren geht. Denn ansonsten gewinnen Populisten die Oberhand in der Politik!

Mein Dank gilt deshalb nochmal Daniel Günther dafür, dass er die Streithähne in Berlin immer wieder zur Räson gerufen hat. Und auch genauso dafür, dass er gleichzeitig aufgezeigt hat, was der Bund stattdessen tun sollte: die Länder im Bereich der Rückführungen, bei Passersatzbeschaffung und Altersfeststellung stärker zu unterstützten.

Auf Landesebene tun wir bereits unser Möglichstes: Mit der Stärkung der Polizei sorgen wir für mehr Sicherheit.

Die zusätzlichen Stellen für den Justizbereich dienen vor allem der dringend notwendigen Verfahrensbeschleunigung.

Mit der Einrichtung einer Abschiebehaftanstalt stellen wir außerdem sicher, dass auch in den Fällen eine Abschiebung vollzogen werden kann, in denen die Betroffenen in einem rechtsstaatlichen Verfahren kein Bleiberecht für Deutschland erhalten haben, dennoch nicht freiwillig ausreisen, sondern sich stattdessen einer angeordneten Abschiebung widersetzen.

Die humanitäre Aufnahme von Flüchtlingen und die rechtsstaatliche Rückführung von Menschen, die nicht unseres Schutzes bedürfen, sind zwei Seiten einer Medaille. Beides gehört untrennbar zusammen.

Deshalb ist es gut, dass Jamaika in dieser Frage gemeinsam Kurs hält.

Auch wenn wir bei einzelnen Aspekten unterschiedliche Auffassungen vertreten, so sind wir gut beraten, uns alle zusammen – und das gilt für Regierungs- und Oppositionsfraktionen gleichermaßen – an dieser Stelle hinter unserem Ministerpräsidenten zu versammeln.

Unsere Stimme der Vernunft wird in Berlin ein umso größeres Gewicht haben, wenn wir diesen Kurs gemeinsam vertreten und damit einen Kontrapunkt gegen all diejenigen setzen, die rücksichtslos eigene Interessen verfolgen.

Die Krise in Berlin mag mit den Ergebnissen des EU-Gipfels und der Verständigung zwischen CDU und CSU am Montag abgewendet sein.

Die Ereignisse der letzten Wochen haben uns aber einen Blick in den Abgrund gewährt, der deutlich gemacht hat, wie fragil die politische Stabilität in Deutschland mittlerweile geworden ist und wie schnell die große Errungenschaft des europäischen Einigungsprozesses gefährdet ist.

Meine Damen und Herren, Schleswig-Holstein hält in dieser entscheidenden Situation Kurs. Die Koalition aus CDU, Grünen und FDP steht für Verlässlichkeit, Stabilität und Vertrauen. Die Oppositionsfraktionen lade ich gerne ein, sich diesem Kurs anzuschließen.